Pilgerbericht 5. Etappe Mitteldeutschland
Um es gleich vorwegzunehmen: Die fünfte Etappe des diesjährigen Samstagspilgerprogramms war die bisher schönste meiner wenigen Pilgererfahrungen als Neuling – trotz der Herausforderungen, die 22 Kilometer bei 30 Grad an uns an diesem Tag stellten.
Am Start in Leipzig jedoch versetzte mich die ausgesprochen winzige Pilgergruppe ins Grübeln, ob die Teilnahme bei dieser Hitze die richtige Entscheidung war. Doch in Dresden stiegen 23 Pilger in den Bus gen Wilsdruff, die Zweifel verflogen, es ging los….
Nachdem wir auf der zurückliegenden Etappe mit einem Wolkenbruch regelrecht aus Wilsdruff vertrieben wurden, zeigte uns die Stadt nun im strahlenden Sonnenschein und unter blauem Himmel ihre ganze Schönheit. Die Wildschweinplastik auf dem Markt erinnerte uns an den Weg entlang des Flüsschens „wilde Sau“ und hier erwartete uns auch ein „alter“ Bekannter, Matthias Schlönvogt – begeisterter Einwohner Wilsdruffs mit schier unendlichem Stadtwissen. Er führte uns zur Morgenandacht in die katholische Kirche „St. Pius X“, die gemeinsam mit der benachbarten evangelischen Kirche ein beeindruckendes und stadtbildprägendes Ensemble bildet. Auch Kaplan Oliver Gonda hatte sich an diesem Tag auf den Weg begeben – von Meißen nach Wilsdruff – weil die katholische Kirche über keinen eigenen Pfarrer verfügt. Nicht nur seine Worte und Segnungen für unseren Weg, auch die Freude, mit der uns die vielen Gemeindemitglieder empfingen, öffneten unsere Herzen. Schon diese kurze Begegnungszeit bestätigte Matthias Schlönvogts Schilderungen über die Tatkraft der katholischen Gemeinde, ihre Strahlkraft und die gelebte Ökumene in Wlilsdruff. Auch wir hatten Gelegenheit, uns nach der schlicht-modern gehaltenen katholischen Kirche (1956 errichtet und geweiht) mit ihren beeindruckenden geschnitzten Christus- und Marienstatuen, Holzschnitztafeln und Buntglasfenstern auch die benachbarte evangelische St. Nicolaikirche in Augenschein zu nehmen.
Auf schmalen Straßen durch Villenviertel und vielen Verweisen auf Sehens- und Wissenswertes am Wegesrand führte uns Matthias Schlönvogt aus Wilsdruff heraus bis zur ehemaligen Bahnlinie Wilsdruff – Helbigsdorf – heute ein schöner Rad- und Wanderweg zwischen sanft hügeligen Feldern und umsäumt von Apfelbäumen und Wildobstbüschen mit reichem Farbenspiel ihrer wachsenden Früchte und mit einem anschlusslosen Bahnsteig zur Erinnerung nun mitten in der Natur. Die Schönheit dieses Wegs und der umgebenden Landschaft vereinte sich mit unserem stillen Gedenken an den Pfarrer Matthias Spindler, der im Juli beim Bergsteigen in den Dolomiten tödlich verunglückte. Er hatte die Samstagspilger am 6. Mai 2017 in Radeburg herzlich empfangen und Dagmars Erinnerungen und Lesung aus dem Nachruf machten auch diejenigen betroffen, die ihn nicht erlebt hatten. Die Schweigeetappe über etwa fünf Kilometer führte jeden von uns auf Gedankenreise – nach Radeburg, zu den vielen intensiven menschlichen Begegnungen auf den Pilgerpfaden, zu Menschen, die uns ans Herz gewachsen waren und auch zu Menschen, die wir aus den Augen oder durch Tod für immer verloren haben.
Die nächste Station unserer Pilgeretappe führte uns in die festlich geschmückte Kirche Limbach, die ihren Ursprung im 14. Jahrhundert hatte und heute mit ihrem markanten klassizistischen Turm weithin sichtbar ist, wie uns Reinhold Thomas von der evangelischen Kirchgemeinde berichtete. Trotz des sich sofort anschließenden Traugottesdienstes wurden wir mit Gebeten auf den weiteren Weg eingestimmt – und durften im riesigen Pfarrgarten vorher noch ein wenig verweilen und ausruhen. Welche Schönheit des dortigen Bauerngartens und seiner Dahlienbeete!
Nur Dagmar wusste, dass uns die nächste Station nach 3,7 Kilometern mit einem regelrechten Blumenmeer überraschen würde. Im Pfarrhaus von Blankenstein wohnen Luise Ludewig und Michael Beleites, Betreiber der Blankensteiner Blumen GbR. Ihre Gemüse-, Kräuter- und bunten Blumenfelder unterhalb der Kirche sind jetzt auf vielen Fotos gebannt.
Die Hinweistafeln auf dem Abstieg ins Triebischtal beschrieben seine geologische Bedeutung. Bis nach Tanneberg folgten wir dem „Geologischen Wanderweg Oberes Triebischtal“. Vom Abbau des Phyllitgesteins sowie des weißen und grauen Blankenhainer Kalksteins, der wegen seiner relativ großen Calcitkristalle auch als Marmor bezeichnet wurde, kündeten Schächte, Kalköfen und Kalkhäuser – zumeist aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Wesentlich jüngeren geschichtlichen Spuren folgten wir im sogenannten Tanneberger Loch, nahe Tanneberg, dem früheren Abschnitt der A 4 zwischen Dresden und Chemnitz. Viele Pilger konnten sich noch an die für die Trabis viel zu starken Steigungen erinnern und schilderten ihre Erlebnisse. Seit 1999 überquert die Autobahn das Triebisch- und das Tännichtbachtal über drei große Talbrücken. Unter der höchsten, der Triebischtalbrücke mit einer imposanten Höhe von 50 Metern mussten wir hindurch. Dieses und die weiteren Ereignisse auf dem Weg verdrängten das große Schwitzen und den Wunsch nach Abkühlung und langer Pause. Aber Dagmar und ihr Zeitplan waren unerbittlich und zugleich notwendig…
Klipphausen mit dem Schloss Rothschönberg lautete unser nächstes Ziel, auf das wir leider nur einen Blick von außen werfen und Dagmars Informationen lauschen konnten. Der Ortsname stammt von der Familie von Schönberg, die von 1250 bis zur Enteignung 1945 hier ihren Wohnsitz hatte. Den sehenswerten Schlosspark speichere ich mir ebenso wie den geologischen Lehrpfad und Wilsdruff für nochmalige Besuche mit viel Zeit ab.
Drei Kilometer noch, dann waren wir in Deutschenbora. Wir werden von Pfarrer Clemens-Michael Kluge aus dem Pfarramt Nossen und Deutschenbora-Rothschönberg und Christiane Siegel in der Kirche bereits erwartet.
Schön, dass sie uns vor der Andacht noch Zeit zur Erfrischung unter Wasserhähnen ließen: Gesichter, Hände, Arme, Füße – vieles musste nach der langen Strecke gekühlt werden.
Doch dann richteten wir Augen und Ohren auf den sichtlich begeisterten Pfarrer Kluge und seinen Bericht über die umfangreiche und anstrengende Kirchensanierung. Die evangelische Kirche in Deutschenbora ist nicht nur von außen ein Schmuckstück, sie ist aufgrund des ca. 10 Meter langen Geschlechterzugs derer von Mergenthal (Ursprung aus 1556, zwei Ergänzungen 1667–1700) ein Ziel von Kultur- und Kunstinteressierten. Aus dieser Familie soll Katharina von Bora, die Frau Martin Luthers stammen. Auf youtube kann man sich den Geschlechterzug und der abgebildeten historischen Persönlichkeiten anschauen. https://www.youtube.com/watch?v=VqAXQZAVBFY
Gleich gegenüber der Kirche lag das ehemalige Schloss Deutschenbora, das Stück für Stück zum Weingut ausgebaut wird. Auch dieses Ziel füge ich meiner Ausflugsliste im Kopf an, denn wir müssen zum Bus nach Döbeln und von dort zurück mit dem Zug nach Leipzig. Die Landschaftsbilder, die auf unserer Bus- und Zugfahrt an uns vorbeiziehen, laden zum Aussteigen und Loswandern ein – und bereiten Vorfreude auf die nächsten Etappen.
Rebecca Heinze, Markkleeberg