Pilgerbericht 6. Etappe in Mitteldeutschland
Mein morgendlicher Start begann n der Sächsischen Schweiz mit Nieselregen. In Dresden stand ich dieses Mal allein am Bus um 9.05 Uhr nach Nossen und wurde dadurch als erste vom evangelischen Pfarrer Clemens-Michael Kluge und dem Vertreter der Katholischen Kirche St. Bernhard Herrn Geburek in Nossen begrüßt. Wenige Minuten später trafen weitere 34 Pilger ein, die gemeinsam mit dem Bus aus Döbeln bzw. Roßwein anreisten.
Die katholische Gemeinde ist hier, wie auch schon in Wilsdruff bei der letzten Etappe gehört, durch Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg entstanden und gehört zum großen Gebiet der St. Benno Gemeinde in Meißen. Anfangs nutzten die katholischen Christen die benachbarte evangelische Kirche für ihre Gottesdienste mit, bis ein neues Gebäude errichtet werden konnte, welches praktischerweise Kirche und Gemeinderäume vereint und beeindruckende Buntglasfenster aufweisen kann.
Im Sinne gelebter Ökumene hielt uns der evangelische Pfarrer die Andacht. Mit dem Lied: Die güldne Sonne ließ sich wohl die Sonne hervorlocken und schaute doch immer wieder mal im Laufe des Tages durch die Wolken. Gedanken zu Losung (Jeremia 5,25) und Lehrtext (Lukas 18,13) des Morgens über Sünde und fern oder getrennt sein, regten zum Nachdenken an und der Segen begleitete uns den Tag.
Wir schauten noch kurz in die evangelische Stadtkirche, die nach einem Stadtbrand 1563-65 unter Verwendung von Abruchmaterial des Klosters Altzella wieder errichtet wurde, zwei Portale wurden sogar komplett in dieser Kirche wieder eingesetzt und sind somit erhalten geblieben.
Um 10.45 Uhr startete unsere Gruppe von 35 Pilgern auf kurzem Weg zur Mulde hinunter und zum Kloster Altzella. Nach 30 Minuten Weg sahen wir schon die imposante Klostermauer, die gut instand gesetzt ist und liefen ein ganzes Stück zwischen einer stillgelegten Bahnstrecke und der Mauer entlang. Bevor wir durch den heutigen Haupteingang das Klostergelände betraten, gab Dagmar uns eine Einführung in das kirchliche Leben zur Zeit der Klostergründung.
Im Kloster angekommen, begrüßte uns Frau Welzig und erklärte uns an einem Modell, dass das Kloster vor ca. 500 Jahren darstellt, die 850 jährige Geschichte dieses Ortes. Der Stifter war 1162 der Markgraf Otto von Meißen der Reiche (auf Anraten seiner Frau Hedwig von Brandenburg). Damit hier ein Kloster entstehen konnte, musste er zu Kaiser Friedrich Barbarossa nach Italien reisen um die Genehmigung zu bekommen. Als Marienzelle begann der Aufbau des Klosters durch die Zisterzienser und 1175 zogen ein Abt und zwölf Mönche aus dem Mutterkloster Pforta ein. Die meisten Gebäude standen da schon, damit die Mönche sich in allen Bereichen selbst versorgen konnten. 1198 wurde die Klosterkirche geweiht von der heute nur noch der Grundriss im Klosterpark zu sehen ist. 1220 wurde das Kloster baulich fertiggestellt und es gab nur einen Zugang. Die Ordensstände lebten getrennt von den Laienbrüdern, die im Konversenhaus wohnten, dem einzigen noch erhaltenen Haus aus der Klosterzeit. 1420, in der Blütezeit des Klosters, lebten hier 240 Mönche, davon 1/3 im Orden und 2/3 als Laienbrüder. 1540 im Zuge der Reformation wurde das Kloster aufgelöst und viele Gebäude abgebrochen, da das Material u.a. für die neue Kirche und das Schloss in Nossen gebraucht wurde. Eine kleine Glocke aus der Klosterkirche hängt inzwischen in der Dresdener Frauenkirche, die Bücher gab Markgraf Moritz an die Universitätsbibliothek Leipzig, wo sie noch heute sind. Aus dem Kloster wurde ein Kammergut zur Versorgung des Dresdener Hofes bis 1945 und zu DDR-Zeiten ein Volksgut. 1757 ließ Friedrich August der Gerechte eine Begräbniskapelle im klassizistischen Stil bauen, damit die im Kloster beigesetzten Markgrafen in dem Mausoleum ruhen konnten. Ebenso beauftragte er einen Gärtner, der den Landschaftspark anlegte, in dem wir uns mit einem Plan auf Klosterspurensuche begaben und unsere Mittagspause im Sonnenschein genießen konnten.
Wir trafen uns zum Gruppenfoto und Geburtstagsständchen für Jubilare am Romanischen Portal und staunten, dass wir auf die Kapitelle sehen konnten, zu denen man sonst immer hinaufschaut. Der ursprüngliche Weg durch das Tor verlief 1,60 m unter dem heutigen Bodenniveau.
Das nächste Wegstück, den Lerchenweg, durch einen Wald liefen wir schweigend und gedachten des verstorbenen Gründungspräsidenten der Deutschen St. Jakobusgesellschaft Robert Plötz.
So kamen wir an das "Sachseneck" bei Gleisberg. Hier stoßen die Kreise Döbeln, Mittweida und Meißen aufeinander, zu DDR-Zeiten waren es die Bezirke Leipzig, Dresden und Karl-Marx-Stadt. Wir pilgerten weiter zum kleinen Örtchen Kummersheim, einem schmucken Dorf mit nur 24 Einwohnern und waren immer noch auf dem Gebiet des Klosterbezirkes Altzella. Hier trafen wir auf das Lutherwegzeichen und folgten ihm auf der Krebsallee nach Gersdorf zum Huthaus des "Segen Gottes Erbstolln". Herr Schmidt, der uns einige Erklärungen geben sollte, war leider nicht (mehr) da.
Wir bewunderten noch einen 350 -500 Jahre alten Baum und begaben uns auf den letzten Wegabschnitt nach Roßwein, der Vaterstadt von dem singenden Pilger Tilman Ludwig.
Nachdem wir gegen 15 Uhr die Mulde überquert hatten, sahen wir einen sehr schönen und großen Abenteuerspielplatz. Hier wäre so mancher von uns gern nochmal Kind gewesen.
Viele nicht mehr genutzte Fabrikgebäude wurden nach dem Hochwasser 2002 abgerissen. doch zum Markt und der Ev.-luth. Stadtkirche "Zu unserer lieben Frauen" hatten wir noch einige Höhenmeter zu bewältigen. Uns fiel auf, dass viele Häuser über der Tür die Jahreszahl 1807 zeigten
Um 15.30 Uhr hielten wir unsere Abschlussandacht mit dem Pilgersegen und dann berichtete Frau Schumann sehr eindrücklich über die Kirche. Sie wurde nach dem Stadtbrand 1806 im klassizistischen Stil unter Einbeziehung der nicht zerstörten gotischen Gebäudeteile wieder errichtet. Die letzte große Renovierung wurde 2007 abgeschlossen, wobei durch eine eingezogene Glaswand eine Winterkirche geschaffen wurde. Der im gotischen Stil erhaltene Altarraum, war farblich zu dem neueren Kirchenschiff mit seinen drei Emporen abgrenzt. Die Kirche hat 1800 Sitzplätze. Ob sie zum 450-jährigen Jubiläum der viertältesten sächsischen Kantorei, im August, alle besetzt waren?
Es gibt auch einen Brief Luthers an die Gemeinde Roßwein, den ersten evangelischen Pfarrer gut anzunehmen. Das muss wohl gelungen sein.
Wir bedankten uns bei Frau Schumann mit unserem Pilgerlied, zu dem es mal wieder eine 5. Strophe gab. Ein Dank an den Dichter und Vervielfältiger.
Gegen 16 Uhr ging die bisher kilometer- und zeitmäßig kürzeste, aber deshalb nicht weniger interessante Pilgeretappe dieses Jahres zu Ende und wir bestiegen die hier geparkten Autos oder den Bus nach Döbeln mit der Vorfreude auf das nächste Mal.
Bärbel Schlotter, Lohmen